Es gibt Gesprächsthemen, die selbst mit der besten Freundin erst nach zwei Gläsern Wein und viel Herumgedruckse auf den Tisch kommen. Libido ist so eins. Schon das Wort klingt eher nach Wartezimmerlektüre beim Gynäkologen als nach etwas, das zum echten Leben gehört. Und vor allem ist die Lust in der eigenen Beziehung etwas, das unendlich viele andere Themen aufmacht: Warum willst du nicht? Bist du etwa langweilig? Liebt ihr euch überhaupt? Bringst du es vielleicht nicht?
Dieses „es nicht bringen“ ist – von dem lauernden Gefühl des Nicht begehrt Werdens abgesehen – vielleicht das gemeinste von allen. Sex ist etwas, das uns niemand direkt beibringt, sondern das wir mit mühevollem Herumgestocher erst einmal selber erarbeiten müssen. Und zwar tragischerweise ohne, dass uns jemand sagt, wie es geht, weil wir alle meistens vor lauter Schüchternheit die Zähne nicht auseinander bekommen, zumindest in den ersten Jahren.
Wenn man dann älter wird, legt sich zumindest ein Schatten der Weisheit über alles, idealerweise gepaart mit der Fähigkeit, die eigene Bedürfnislage zum Ausdruck zu bringen („Bitte saug nicht dort, das ist meine linke Laie“ oder „Kauen fühlt sich nicht so gut an“, um mal zwei Beispiel gelungenen Selbstausdrucks anzuführen). Und während sich die reine Technik möglicherweise Mal für Mal bessert, bleibt da immer noch die große Unbekannte, die eigene Libido.
Die Libido ist ein launenhaftes Ding, über dessen Wesen sich häufig gewundert wird. Schon das kleinste Fehlverhalten kann zu einem Gesamtzusammenbruch führen, und dann ist es häufig wie mit den Tränen: Wenn sie einmal zu Boden gefallen sind, kann man sie nicht mehr aufheben. Zumindest fühlt es sich so an.
Rein faktisch ist das natürlich Quatsch. Denn:
1. Libido ist kein Dauerfeuer.
Das Bild, dass sexuelles Verlangen ständig da sein müsste, hält sich hartnäckig, vor allem, weil wir es aus Filmen, Serien und Popkultur so gewohnt sind. Die Realität sieht anders aus. Libido ist eine schwankende Größe, beeinflusst von Hormonen, Schlaf, Stress, Ernährung, Medikamenten und natürlich auch von der Qualität einer Beziehung. Frauen berichten deutlich häufiger von Schwankungen, weil ihr Zyklus und hormonelle Veränderungen eine Rolle spielen. Aber auch Männer sind keine Roboter. Libido ist kein gleichbleibendes Level des sexuellen Feuers, sondern eher wie ein Wetterbericht. Mal Sonne, mal Sturm, mal Nebel. Und manchmal auch Regen.
2. Lust hat verschiedene Modelle.
Wir sind darauf geprägt zu glauben, dass Lust immer spontan auftaucht, also dieses „Ich will dich jetzt sofort“-Gefühl. Viele kennen aber eher das responsive Modell: Lust entsteht erst, wenn Nähe, Zärtlichkeit oder Intimität da ist. Überhaupt ist emotionale Intimität besonders für Frauen die Grundlage, um in Wallung zu geraten. Wer nur das spontane Modell im Kopf hat, denkt schnell, er oder sie sei „kaputt“. In Wahrheit zeigt Forschung, dass gerade bei Frauen das responsive Modell weit verbreitet ist und es bedeutet nicht weniger Lust, sondern schlicht eine andere Dynamik.
3. Das Schweigen macht es schwerer.
Das eigentliche Tabu liegt nicht in der Libido selbst, sondern im Drumherum. Weil niemand darüber spricht, denken wir: „Nur bei mir läuft’s nicht so.“ Aber Studien zeigen, dass Schwankungen im Verlangen eher die Regel sind als die Ausnahme. In langen Beziehungen wechseln sich Phasen intensiver Lust mit Phasen ab, in denen Nähe zwar da ist, aber Sex nicht im Vordergrund steht. Das ist keine Fehlfunktion, sondern Biologie. Und Psychologie.
4. Libido und Psyche hängen eng zusammen.
Sexuelles Verlangen ist nicht nur körperlich. Es ist stark verknüpft mit psychischer Gesundheit. Wer ständig gestresst ist, innerlich angespannt oder sich selbst kritisch betrachtet, spürt oft weniger Lust. Ein schlechtes Körperbild oder das Gefühl, nicht „gut genug“ zu sein, wirkt wie ein Schalter, der die Libido blockiert. Gute Nachrichten: Das Umgekehrte gilt genauso. Wenn wir milder mit uns werden und Druck rausnehmen, kehrt auch die Lust oft zurück.
Libido ist keine Pflichtveranstaltung, sondern ein Teil des Lebens, der kommt und geht. Genau wie Beziehungen durch Phasen gehen, tut das auch die sexuelle Spannung zwischen Partnerinnen und Partnern. Einen der wichtigsten Libidounterstützer gibt es übrigens ganz umsonst: Ausreichend Schlaf.
Quellen
¹ Brotto, L. & Luria, M. (2014): Sexual Interest/Arousal Disorder in Women.
² Basson, R. (2000): The Female Sexual Response: A Different Model.
³ Levine, S. B. (2003): The Nature of Sexual Desire.
Es gibt Gesprächsthemen, die selbst mit der besten Freundin erst nach zwei Gläsern Wein und viel Herumgedruckse auf den Tisch kommen. Libido ist so eins. Schon das Wort klingt eher nach Wartezimmerlektüre beim Gynäkologen als nach etwas, das zum echten Leben gehört. Und vor allem ist die Lust in der eigenen Beziehung etwas, das unendlich viele andere Themen aufmacht: Warum willst du nicht? Bist du etwa langweilig? Liebt ihr euch überhaupt? Bringst du es vielleicht nicht?
Dieses „es nicht bringen“ ist – von dem lauernden Gefühl des Nicht begehrt Werdens abgesehen – vielleicht das gemeinste von allen. Sex ist etwas, das uns niemand direkt beibringt, sondern das wir mit mühevollem Herumgestocher erst einmal selber erarbeiten müssen. Und zwar tragischerweise ohne, dass uns jemand sagt, wie es geht, weil wir alle meistens vor lauter Schüchternheit die Zähne nicht auseinander bekommen, zumindest in den ersten Jahren.
Wenn man dann älter wird, legt sich zumindest ein Schatten der Weisheit über alles, idealerweise gepaart mit der Fähigkeit, die eigene Bedürfnislage zum Ausdruck zu bringen („Bitte saug nicht dort, das ist meine linke Laie“ oder „Kauen fühlt sich nicht so gut an“, um mal zwei Beispiel gelungenen Selbstausdrucks anzuführen). Und während sich die reine Technik möglicherweise Mal für Mal bessert, bleibt da immer noch die große Unbekannte, die eigene Libido.
Die Libido ist ein launenhaftes Ding, über dessen Wesen sich häufig gewundert wird. Schon das kleinste Fehlverhalten kann zu einem Gesamtzusammenbruch führen, und dann ist es häufig wie mit den Tränen: Wenn sie einmal zu Boden gefallen sind, kann man sie nicht mehr aufheben. Zumindest fühlt es sich so an.
Rein faktisch ist das natürlich Quatsch. Denn:
1. Libido ist kein Dauerfeuer.
Das Bild, dass sexuelles Verlangen ständig da sein müsste, hält sich hartnäckig, vor allem, weil wir es aus Filmen, Serien und Popkultur so gewohnt sind. Die Realität sieht anders aus. Libido ist eine schwankende Größe, beeinflusst von Hormonen, Schlaf, Stress, Ernährung, Medikamenten und natürlich auch von der Qualität einer Beziehung. Frauen berichten deutlich häufiger von Schwankungen, weil ihr Zyklus und hormonelle Veränderungen eine Rolle spielen. Aber auch Männer sind keine Roboter. Libido ist kein gleichbleibendes Level des sexuellen Feuers, sondern eher wie ein Wetterbericht. Mal Sonne, mal Sturm, mal Nebel. Und manchmal auch Regen.
2. Lust hat verschiedene Modelle.
Wir sind darauf geprägt zu glauben, dass Lust immer spontan auftaucht, also dieses „Ich will dich jetzt sofort“-Gefühl. Viele kennen aber eher das responsive Modell: Lust entsteht erst, wenn Nähe, Zärtlichkeit oder Intimität da ist. Überhaupt ist emotionale Intimität besonders für Frauen die Grundlage, um in Wallung zu geraten. Wer nur das spontane Modell im Kopf hat, denkt schnell, er oder sie sei „kaputt“. In Wahrheit zeigt Forschung, dass gerade bei Frauen das responsive Modell weit verbreitet ist und es bedeutet nicht weniger Lust, sondern schlicht eine andere Dynamik.
3. Das Schweigen macht es schwerer.
Das eigentliche Tabu liegt nicht in der Libido selbst, sondern im Drumherum. Weil niemand darüber spricht, denken wir: „Nur bei mir läuft’s nicht so.“ Aber Studien zeigen, dass Schwankungen im Verlangen eher die Regel sind als die Ausnahme. In langen Beziehungen wechseln sich Phasen intensiver Lust mit Phasen ab, in denen Nähe zwar da ist, aber Sex nicht im Vordergrund steht. Das ist keine Fehlfunktion, sondern Biologie. Und Psychologie.
4. Libido und Psyche hängen eng zusammen.
Sexuelles Verlangen ist nicht nur körperlich. Es ist stark verknüpft mit psychischer Gesundheit. Wer ständig gestresst ist, innerlich angespannt oder sich selbst kritisch betrachtet, spürt oft weniger Lust. Ein schlechtes Körperbild oder das Gefühl, nicht „gut genug“ zu sein, wirkt wie ein Schalter, der die Libido blockiert. Gute Nachrichten: Das Umgekehrte gilt genauso. Wenn wir milder mit uns werden und Druck rausnehmen, kehrt auch die Lust oft zurück.
Libido ist keine Pflichtveranstaltung, sondern ein Teil des Lebens, der kommt und geht. Genau wie Beziehungen durch Phasen gehen, tut das auch die sexuelle Spannung zwischen Partnerinnen und Partnern. Einen der wichtigsten Libidounterstützer gibt es übrigens ganz umsonst: Ausreichend Schlaf.
Quellen
¹ Brotto, L. & Luria, M. (2014): Sexual Interest/Arousal Disorder in Women.
² Basson, R. (2000): The Female Sexual Response: A Different Model.
³ Levine, S. B. (2003): The Nature of Sexual Desire.